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Nussschale


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Rezension von

Dr. Benjamin Krenberger

Nussschale Ian McEwan ist ein unglaublich produktiver Romancier, etwa alle zwei Jahre erscheint ein neues Werk. Im nun in deutscher Sprache veröffentlichten Roman „Nussschale“ wird die Geschichte konsequent aus der Sicht des Nasciturus im Mutterleib von Trudy erzählt. Das junge Kerlchen steht kurz vor der Geburt und erlebt seine Umgebung durch Geräusche, Lichtwechsel, Gefühle und den Stoffwechsel der Mutter. Es ist ein schmaler Grat, in dieser Perspektive nicht ins slapstickhafte abzugleiten, und zum Glück bleibt McEwan stringent auf dem Pfad der Ernsthaftigkeit. Das Ungeborene bezieht sein mannigfach vorhandenes Wissen offenbar aus dem Konsum von Radiosendungen, Fernsehsendungen und Podcasts und hat darüber hinaus ein voll ausgebildetes, reflexives Gedankensystem. Insofern kann man zwar vieles nachvollziehen, was das Baby da in Gedanken von sich gibt und wie es Dinge und Ereignisse in einen historischen, soziologischen oder psychologischen Kontext setzt. Hinzu gesellen sich aber auch emotionale und philosophische Ausflüge, die über das Konzept des das Außen wahrnehmenden Ungeborenen ein wenig hinausschießen und nur durch eine bereits vorgegebene Grundweisheit erklärt werden können. Das macht die Lektüre bisweilen ein wenig enervierend. Dies geschieht etwa auch dann, wenn McEwan seine Weinkenntnisse einfließen lässt und das kleine Wesen anhand des Weinkonsums der Mutter erschmecken lässt, woher die gute Traube denn stammen könnte – das ist einfach zu viel des Guten. Immerhin hat das kleine Wesen auch körperliche Eingriffsmöglichkeiten und in geeigneten Situationen wird geboxt und getreten, sodass Mama Trudy abgelenkt werden kann, wenn es nötig erscheint. Worum geht es in der Geschichte selbst? Trudy und John sind ein Ehepaar, das gerade im Trennungsprozess steckt. Trudy ist im neunten Monat schwanger und hat ihren Ehemann, Dichter und Verleger von Beruf, aus der ehelichen Wohnung komplimentiert. Angeblich weil dies besser wäre momentan. Dabei ist es das Elternhaus von John. Stattdessen lebt sie nun, mehr oder weniger heimlich, mit Johns Bruder Claude, einem tumben aber wohlhabenden Bauunternehmer zusammen. Als John in einem überraschend souveränen Auftritt mit einer schönen jungen Frau an seiner Seite diese Liaison scheinbar absegnet, aber sein Haus zurückfordert, schmieden die beiden einen perfiden Plan zur Beseitigung von John, um anschließend das zu erbende Haus veräußern zu können. Diese Aktion an sich ist schon beklemmend und aufregend für das Baby, ebenso die nachfolgende Untersuchung durch die Kriminalpolizei und die Versuche von Trudy und Claude sich aus der ganzen Malaise herauszuwinden. Nicht so häufig wie sonst, aber immerhin an einigen Stellen blitzt McEwans wunderbares Gespür für sprachliche Situationsbeschreibungen auf, etwa zum Pessimismus der Mächtigen (S. 45), zur Ausgangslage zweier Liebender (S. 173) oder auch das herrliche Bild des beinahe ausgewachsenen Babys: „Ich trage meine Mutter wie eine enganliegende Mütze“ (S. 218), ein toller Lacher. Aber ansonsten bringt schon die Perspektive des Nasciturus eine gewisse Distanz zu den Handelnden mit sich, wohingegen McEwans Romane sonst gerade davon geprägt sind, dass der Leser sich mit den Charakteren in deren emotionale Details (sprachlich) vertiefen kann. Das fehlt diesmal, sodass weder der originelle Blickwinkel noch McEwans Sprachkünste dazu geführt haben, dass mich die im Grunde langweilige Geschichte vom Hocker gerissen hat, zumal auch das Ende etwas mickrig ausfällt.

Ian McEwan ist ein unglaublich produktiver Romancier, etwa alle zwei Jahre erscheint ein neues Werk. Im nun in deutscher Sprache veröffentlichten Roman „Nussschale“ wird die Geschichte konsequent aus der Sicht des Nasciturus im Mutterleib von Trudy erzählt. Das junge Kerlchen steht kurz vor der Geburt und erlebt seine Umgebung durch Geräusche, Lichtwechsel, Gefühle und den Stoffwechsel der Mutter. Es ist ein schmaler Grat, in dieser Perspektive nicht ins slapstickhafte abzugleiten, und zum Glück bleibt McEwan stringent auf dem Pfad der Ernsthaftigkeit. Das Ungeborene bezieht sein mannigfach vorhandenes Wissen offenbar aus dem Konsum von Radiosendungen, Fernsehsendungen und Podcasts und hat darüber hinaus ein voll ausgebildetes, reflexives Gedankensystem. Insofern kann man zwar vieles nachvollziehen, was das Baby da in Gedanken von sich gibt und wie es Dinge und Ereignisse in einen historischen, soziologischen oder psychologischen Kontext setzt. Hinzu gesellen sich aber auch emotionale und philosophische Ausflüge, die über das Konzept des das Außen wahrnehmenden Ungeborenen ein wenig hinausschießen und nur durch eine bereits vorgegebene Grundweisheit erklärt werden können. Das macht die Lektüre bisweilen ein wenig enervierend. Dies geschieht etwa auch dann, wenn McEwan seine Weinkenntnisse einfließen lässt und das kleine Wesen anhand des Weinkonsums der Mutter erschmecken lässt, woher die gute Traube denn stammen könnte – das ist einfach zu viel des Guten. Immerhin hat das kleine Wesen auch körperliche Eingriffsmöglichkeiten und in geeigneten Situationen wird geboxt und getreten, sodass Mama Trudy abgelenkt werden kann, wenn es nötig erscheint.

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Worum geht es in der Geschichte selbst? Trudy und John sind ein Ehepaar, das gerade im Trennungsprozess steckt. Trudy ist im neunten Monat schwanger und hat ihren Ehemann, Dichter und Verleger von Beruf, aus der ehelichen Wohnung komplimentiert. Angeblich weil dies besser wäre momentan. Dabei ist es das Elternhaus von John. Stattdessen lebt sie nun, mehr oder weniger heimlich, mit Johns Bruder Claude, einem tumben aber wohlhabenden Bauunternehmer zusammen. Als John in einem überraschend souveränen Auftritt mit einer schönen jungen Frau an seiner Seite diese Liaison scheinbar absegnet, aber sein Haus zurückfordert, schmieden die beiden einen perfiden Plan zur Beseitigung von John, um anschließend das zu erbende Haus veräußern zu können. Diese Aktion an sich ist schon beklemmend und aufregend für das Baby, ebenso die nachfolgende Untersuchung durch die Kriminalpolizei und die Versuche von Trudy und Claude sich aus der ganzen Malaise herauszuwinden.

Nicht so häufig wie sonst, aber immerhin an einigen Stellen blitzt McEwans wunderbares Gespür für sprachliche Situationsbeschreibungen auf, etwa zum Pessimismus der Mächtigen (S. 45), zur Ausgangslage zweier Liebender (S. 173) oder auch das herrliche Bild des beinahe ausgewachsenen Babys: „Ich trage meine Mutter wie eine enganliegende Mütze“ (S. 218), ein toller Lacher. Aber ansonsten bringt schon die Perspektive des Nasciturus eine gewisse Distanz zu den Handelnden mit sich, wohingegen McEwans Romane sonst gerade davon geprägt sind, dass der Leser sich mit den Charakteren in deren emotionale Details (sprachlich) vertiefen kann. Das fehlt diesmal, sodass weder der originelle Blickwinkel noch McEwans Sprachkünste dazu geführt haben, dass mich die im Grunde langweilige Geschichte vom Hocker gerissen hat, zumal auch das Ende etwas mickrig ausfällt.

geschrieben am 01.11.2016 | 503 Wörter | 2988 Zeichen

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