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Die Reformation 1490-1700


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Rezension von

Hiram Kümper

Die Reformation 1490-1700 Dies ist ein faszinierendes, ein gelehrtes, man könnte auch schlicht sagen: ein großartiges Buch. Das festzustellen haben schon Berufenere als der Rezensent sich bemüßigt gefühlt – der renommierte Wolfson-Preis 2003, der Preis der British Academy 2004 und schließlich der Sachbuch-Preis des US-amerikanischen National Book Critics Circle 2005 sprechen da für sich. MacCulloch geht es nicht – und das hebt ihn positiv von manch anderer gewichtigen Gesamtdarstellung der Zeit ab – so sehr um Personen, Daten und Ereignisse. Auch die kommen nicht zu kurz. Im Zentrum aber stehen die Debatten, stehen die (z.T. im wahrsten Wortsinne) brennenden Fragen der Zeitgenossen und steht ein Bedürfnis, sich in dieses dem modernen Leser häufig so fremde Denken hineinzufühlen. „Wenige Menschen im modernen Europa vermögen heute zu verstehen, wie drängend diese Fragen im 16. Jahrhundert waren.“ (S. 905) – dieser Satz steht gleichsam programmatisch für das gesamte Anliegen des Bandes. Da ist MacCulloch ein geschickter Wegweiser, nicht onkelhaft oder belehrend, sondern lebhaft, mit Mut zum Exemplarischen und zur Stellungnahme. Worum es MacCulloch auch geht, das weist der englische Untertitel besser aus als die verkürzte Verdeutschung: „Europe’s House Divided“, heißt es da. Ein Stück betont europäische Geschichte also wird hier geschrieben. Zugleich unterstreicht es These des Verfassers, dass die Reformation in besonderer Weise die charakteristische Ausformung der europäischen Mentalität auf dem Weg in den Moderne geprägt habe. Besonders der dritte Teil, der sich den „Lebensmustern“ der betrachteten Epoche zuwendet, ist in dieser Hinsicht sehr lesenswert. Anderseits muss gerade deshalb die Reformation als Epoche von MacCulloch ausgesprochen breit gefasst werden und schließt somit nicht nur die Jahrzehnte vor Luther und seinen Mitstreitern, sondern mit der Ausdehnung auf das gesamte 17. Jahrhundert auch das erste der so genannten „konfessionellen Zeitalter“ mit ein. So ist denn auch Luther nicht, wie anderswo, die Zentralfigur von MacCullochs Reformationsgeschichte – mancher wird fast ein wenig enttäuscht von der vergleichsweise mittelständigen Rolle sein, die der Wittenberger Reformation in diesem Buch spielt. Dass nicht Deutschland und die Wiege der Reformation im Epizentrum, sondern dass ihre europäischen Dimensionen und ihre großdimensional spürbaren Auswirkungen im Mittelpunkt der Betrachtung stehen, zeigt sich auch in der Großgliederung: Den ersten großen Schnitt macht der erste Teil („Die gemeinsame Kultur”) mit der Zeit um 1570, umfasst also die vorreformatorischen Wurzeln ebenso wie die militärischen Auseinandersetzungen in Frankreich, den Niederlanden und in Schottland. Erst jetzt bilden sich nach Ansicht des Verfassers klare konfessionelle Identitäten aus, die im zweiten Teil in die große militärische Katastrophe des 17. Jahrhunderts und darüber hinaus führen. Das alles vermittelt MacCulloch mit elegantem Stil (den authentisch umzusetzen auch dem Übersetzerteam freilich wiederum einiges Lob gebührt!) und Sinn für Humor, ohne je von der grundsätzlichen Sachlichkeit der Darstellung abzuweichen. Einziger Wertmutstropfen für den Wissbegierigen, den nicht die Profession, sondern pures Interesse zur Lektüre drängt: es sind fast 900 Seiten Text, die es zu bewältigen gibt, deutlich über eintausend, wenn man Fußnotenapparat und Paratexte mitzählt – und das alles nur sehr spärlich bebildert. Die Übersetzung ist stellenweise holprig, stellenweise schlicht falsch (Messen bei den Reformierten?!). Das ist schade und verwunderlich, gerade wenn man andere, sehr gute Arbeiten des Übersetzerteams Binder-Leineweber (z.B. David M. Crowes Schindler-Biographie, dt. 2005) kennt. Dennoch: Das Lesevergnügen und auch den Gewinn wird’s nicht vermiesen. Es lohnt sich.

Dies ist ein faszinierendes, ein gelehrtes, man könnte auch schlicht sagen: ein großartiges Buch. Das festzustellen haben schon Berufenere als der Rezensent sich bemüßigt gefühlt – der renommierte Wolfson-Preis 2003, der Preis der British Academy 2004 und schließlich der Sachbuch-Preis des US-amerikanischen National Book Critics Circle 2005 sprechen da für sich.

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MacCulloch geht es nicht – und das hebt ihn positiv von manch anderer gewichtigen Gesamtdarstellung der Zeit ab – so sehr um Personen, Daten und Ereignisse. Auch die kommen nicht zu kurz. Im Zentrum aber stehen die Debatten, stehen die (z.T. im wahrsten Wortsinne) brennenden Fragen der Zeitgenossen und steht ein Bedürfnis, sich in dieses dem modernen Leser häufig so fremde Denken hineinzufühlen. „Wenige Menschen im modernen Europa vermögen heute zu verstehen, wie drängend diese Fragen im 16. Jahrhundert waren.“ (S. 905) – dieser Satz steht gleichsam programmatisch für das gesamte Anliegen des Bandes. Da ist MacCulloch ein geschickter Wegweiser, nicht onkelhaft oder belehrend, sondern lebhaft, mit Mut zum Exemplarischen und zur Stellungnahme.

Worum es MacCulloch auch geht, das weist der englische Untertitel besser aus als die verkürzte Verdeutschung: „Europe’s House Divided“, heißt es da. Ein Stück betont europäische Geschichte also wird hier geschrieben. Zugleich unterstreicht es These des Verfassers, dass die Reformation in besonderer Weise die charakteristische Ausformung der europäischen Mentalität auf dem Weg in den Moderne geprägt habe. Besonders der dritte Teil, der sich den „Lebensmustern“ der betrachteten Epoche zuwendet, ist in dieser Hinsicht sehr lesenswert. Anderseits muss gerade deshalb die Reformation als Epoche von MacCulloch ausgesprochen breit gefasst werden und schließt somit nicht nur die Jahrzehnte vor Luther und seinen Mitstreitern, sondern mit der Ausdehnung auf das gesamte 17. Jahrhundert auch das erste der so genannten „konfessionellen Zeitalter“ mit ein. So ist denn auch Luther nicht, wie anderswo, die Zentralfigur von MacCullochs Reformationsgeschichte – mancher wird fast ein wenig enttäuscht von der vergleichsweise mittelständigen Rolle sein, die der Wittenberger Reformation in diesem Buch spielt. Dass nicht Deutschland und die Wiege der Reformation im Epizentrum, sondern dass ihre europäischen Dimensionen und ihre großdimensional spürbaren Auswirkungen im Mittelpunkt der Betrachtung stehen, zeigt sich auch in der Großgliederung: Den ersten großen Schnitt macht der erste Teil („Die gemeinsame Kultur”) mit der Zeit um 1570, umfasst also die vorreformatorischen Wurzeln ebenso wie die militärischen Auseinandersetzungen in Frankreich, den Niederlanden und in Schottland. Erst jetzt bilden sich nach Ansicht des Verfassers klare konfessionelle Identitäten aus, die im zweiten Teil in die große militärische Katastrophe des 17. Jahrhunderts und darüber hinaus führen.

Das alles vermittelt MacCulloch mit elegantem Stil (den authentisch umzusetzen auch dem Übersetzerteam freilich wiederum einiges Lob gebührt!) und Sinn für Humor, ohne je von der grundsätzlichen Sachlichkeit der Darstellung abzuweichen. Einziger Wertmutstropfen für den Wissbegierigen, den nicht die Profession, sondern pures Interesse zur Lektüre drängt: es sind fast 900 Seiten Text, die es zu bewältigen gibt, deutlich über eintausend, wenn man Fußnotenapparat und Paratexte mitzählt – und das alles nur sehr spärlich bebildert. Die Übersetzung ist stellenweise holprig, stellenweise schlicht falsch (Messen bei den Reformierten?!). Das ist schade und verwunderlich, gerade wenn man andere, sehr gute Arbeiten des Übersetzerteams Binder-Leineweber (z.B. David M. Crowes Schindler-Biographie, dt. 2005) kennt. Dennoch: Das Lesevergnügen und auch den Gewinn wird’s nicht vermiesen. Es lohnt sich.

geschrieben am 27.10.2008 | 532 Wörter | 3260 Zeichen

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