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Cari Mora


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Informationen zum Buch
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Rezension von

Thomas Stumpf

Cari Mora Ja, es ist wahrscheinlich ungerecht, einen Schriftsteller immer an seinem größten Erfolg messen zu wollen. Und zugegeben, bei Thomas Harris hängen die Trauben wirklich hoch. Aber wenn die Neuerscheinung auch noch mit dem direkten Vergleich zu eben diesem vorherigen Welterfolg beworben wird, wird es schwer, diese Klippe zu umschiffen. Trotz 13jähirger literarischer Schaffenspause macht "Cari Mora" eher den Eindruck als sei es in lediglich 3 Monaten zusammengeschrieben worden. Und das sage ich als ausdrücklicher Fan von Thomas Harris. Die Kolumbianerin Cari Mora lebt seit mehreren Jahren mit einem ungesicherten Aufenthaltsstatus in den USA und hält sich mit mehreren Jobs über Wasser. Sie arbeitet zum einen in einer Seevogelrettungsstation an der Biscayne Bay, Miami, zum anderen hütet sie diverse Immobilien während der Abwesenheit ihrer Eigentümer. Das aktuell von ihr betreute Objekt hat aber eine besondere Vergangenheit: Die Villa gehörte einst dem berüchtigten Drogenbaron Pablo Escobar. Nach dessen Tod wird die Villa u.a. von Filmcrews zu Drehzwecken gemietet, da das Anwesen u.a. vollgestopft ist mit Filmmemorabilia wie Requisiten, Film-Monstern, und sogar einem elektrischen Stuhl aus dem legendären Sing Sing-Gefängnis. Aber die Villa birgt ein Geheimnis: Escobar soll dort einen Schatz (600 kg Gold) versteckt haben. Sein einstiger Gefolgsmann Jesús Villareal hat dieses Geheimnis für eine Menge Geld an den bizarren deutschen Serienmörder Hans-Peter Schneider verkauft, der sich mit einer „Filmcrew“ in die Villa einmietet, um nach dem Gold zu suchen. Aber er ist nicht der einzige, dem Villareal die Information verkauft hat. So macht sich auch Don Ernesto auf die Jagd nach dem Schatz. Cari Mora, die titelgebende haushütende Hauptfigur, gerät dabei zwischen die Fronten. Und sie erkennt sofort, welche Gefahr vor allem der sadistische Schneider darstellt, der es hauptsächlich auf Frauen abgesehen hat, die er entweder aus eigenem Vergnügen quält und tötet oder an andere zu diesem Zweck weiterverkauft. Auch an ihren Organen bedient er sich gewinnbringend. Doch Cari ist kein hilfloses Küken. In Rückblenden erfährt man, dass sie von der kolumbianischen FARC als Kindersoldatin rekrutiert und zwangsweise zum Töten ausgebildet worden war. Irgendwann konnte sie der FARC entfliehen, trägt aber die körperlichen und seelischen Narben dieser Zeit weiter mit sich. Ihre Kampferfahrung macht sie nun zu einer gefährlichen und unterschätzten Gegnerin. Eigentlich ein Plot, der das Zeug zu einem spannenden Abenteuerroman mit interessanten Figuren und Wendungen getaugt hätte. Alle Zutaten sind da, allein das Buch ist eine einzige Enttäuschung. Kaum zu glauben, dass das derselbe Autor ist, der so dichte, spannende und großartige Romane wie „Schwarzer Sonntag“, „Roter Drache“ und „Das Schweigen der Lämmer“ geschrieben hat, auch wenn das bereits mehrere Jahrzehnte zurückliegt. Die komplette Handlung: Zwei gegnerische Verbrechergruppen suchen am selben Ort nach einem millionenschweren Schatz, dazwischen versucht Cari zu überleben. Das war’s. Tiefgang sucht man hier vergebens, ebenso interessante Charakterstudien und intelligente, fesselnde Dialoge. Die einzig interessante Person ist Cari selbst, denn für starke Frauenrollen hat Harris seit jeher ein Händchen. Sie ist die einzige Figur des Buchs, die einigermaßen ausgeleuchtet wird, die eine interessante Vergangenheit und Persönlichkeitsentwicklung aufzuzeigen hat. Ihr Werdegang macht auf das Schicksal unzähliger Kindersoldaten in aller Welt aufmerksam und Harris zeigt plastisch ihre Fluchtgründe und ihr Verfolgungsschicksal und macht - das ist sicher Absicht - auf die Lage vieler Flüchtlinge aufmerksam, die sich derzeit in den USA sehr restriktiven Maßnahmen und fragwürdigen Gesetzen ausgesetzt sehen. Das ist ein Aspekt, mit dem der Autor definitiv punkten kann. Damit hat es sich dann aber. Anspruchsvolle erzählerische Passagen, komplexe Zusammenhänge finden sich hier nicht. Der eindimensionale deutschstämmige Sadist Hans-Peter Schneider ist kein zweiter Hannibal Lecter. Nicht einmal ansatzweise. Es fehlt der komplette intellektuelle Unterbau, die emotionale Intensität, die Wucht der Persönlichkeit. Schneider ist das klischeehafte Abziehbild eines grausamen Serienmörders, wie es bereits in unzähligen Büchern und schlechten Filmen durchgenudelt wurde. Wozu das hier? Der gesamte Serienmörderquatsch ist in diesem Buch, bei dem es überhaupt nicht um einen Serienmörder geht, völlig fehl am Platze und trägt zur Story nichts bei als anlasslose Gewalt. Überhaupt spielt sich vieles in diesem Buch rein oberflächlich ab, reduziert auf Äußerlichkeiten, was bereits das Erscheinungsbild von Schneider zeigt oder die tierischen Attribute, mit denen Harris seine Akteure belegt. Aber auch das ändert nichts daran, dass die Nebenfiguren recht blass bleiben und sich eher an ihrem Äußeren als an ihrem Charakter festmachen lassen. Immerhin, das Buch ist schnell gelesen, hat es doch nur ca. 270 Seiten, die in kleine Kapitel szenisch untergliedert sind. (Weitere 60 Seiten sind tatsächlich eine Leseprobe von „Das Schweigen der Lämmer“ - muss man mehr sagen?) Insgesamt wirkt das für mich eher wie ein Fragment, ein Entwurf für einen Roman, der viel zu früh veröffentlicht wurde. Schnell erzählt, ja, aber zulasten der erforderlichen Tiefe, kaum spannend, nicht fesselnd und am Ende bleibt nichts hängen. Kein Vergleich mit den früheren Werken dieses tollen Autors, der uns mit psychologischem Tiefgang, Einfallsreichtum und vor allem erstklassiger Recherche auf spannende, emotionale Achterbahnfahrten geschickt hat. Sehr schade.

Ja, es ist wahrscheinlich ungerecht, einen Schriftsteller immer an seinem größten Erfolg messen zu wollen. Und zugegeben, bei Thomas Harris hängen die Trauben wirklich hoch. Aber wenn die Neuerscheinung auch noch mit dem direkten Vergleich zu eben diesem vorherigen Welterfolg beworben wird, wird es schwer, diese Klippe zu umschiffen. Trotz 13jähirger literarischer Schaffenspause macht "Cari Mora" eher den Eindruck als sei es in lediglich 3 Monaten zusammengeschrieben worden. Und das sage ich als ausdrücklicher Fan von Thomas Harris.

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#
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05.12.2022
2
04.10.2022
3
02.09.2022
4
07.10.2021
5
17.05.2021

Die Kolumbianerin Cari Mora lebt seit mehreren Jahren mit einem ungesicherten Aufenthaltsstatus in den USA und hält sich mit mehreren Jobs über Wasser. Sie arbeitet zum einen in einer Seevogelrettungsstation an der Biscayne Bay, Miami, zum anderen hütet sie diverse Immobilien während der Abwesenheit ihrer Eigentümer. Das aktuell von ihr betreute Objekt hat aber eine besondere Vergangenheit: Die Villa gehörte einst dem berüchtigten Drogenbaron Pablo Escobar. Nach dessen Tod wird die Villa u.a. von Filmcrews zu Drehzwecken gemietet, da das Anwesen u.a. vollgestopft ist mit Filmmemorabilia wie Requisiten, Film-Monstern, und sogar einem elektrischen Stuhl aus dem legendären Sing Sing-Gefängnis. Aber die Villa birgt ein Geheimnis: Escobar soll dort einen Schatz (600 kg Gold) versteckt haben. Sein einstiger Gefolgsmann Jesús Villareal hat dieses Geheimnis für eine Menge Geld an den bizarren deutschen Serienmörder Hans-Peter Schneider verkauft, der sich mit einer „Filmcrew“ in die Villa einmietet, um nach dem Gold zu suchen. Aber er ist nicht der einzige, dem Villareal die Information verkauft hat. So macht sich auch Don Ernesto auf die Jagd nach dem Schatz.

Cari Mora, die titelgebende haushütende Hauptfigur, gerät dabei zwischen die Fronten. Und sie erkennt sofort, welche Gefahr vor allem der sadistische Schneider darstellt, der es hauptsächlich auf Frauen abgesehen hat, die er entweder aus eigenem Vergnügen quält und tötet oder an andere zu diesem Zweck weiterverkauft. Auch an ihren Organen bedient er sich gewinnbringend. Doch Cari ist kein hilfloses Küken. In Rückblenden erfährt man, dass sie von der kolumbianischen FARC als Kindersoldatin rekrutiert und zwangsweise zum Töten ausgebildet worden war. Irgendwann konnte sie der FARC entfliehen, trägt aber die körperlichen und seelischen Narben dieser Zeit weiter mit sich. Ihre Kampferfahrung macht sie nun zu einer gefährlichen und unterschätzten Gegnerin.

Eigentlich ein Plot, der das Zeug zu einem spannenden Abenteuerroman mit interessanten Figuren und Wendungen getaugt hätte. Alle Zutaten sind da, allein das Buch ist eine einzige Enttäuschung. Kaum zu glauben, dass das derselbe Autor ist, der so dichte, spannende und großartige Romane wie „Schwarzer Sonntag“, „Roter Drache“ und „Das Schweigen der Lämmer“ geschrieben hat, auch wenn das bereits mehrere Jahrzehnte zurückliegt.

Die komplette Handlung: Zwei gegnerische Verbrechergruppen suchen am selben Ort nach einem millionenschweren Schatz, dazwischen versucht Cari zu überleben. Das war’s.

Tiefgang sucht man hier vergebens, ebenso interessante Charakterstudien und intelligente, fesselnde Dialoge. Die einzig interessante Person ist Cari selbst, denn für starke Frauenrollen hat Harris seit jeher ein Händchen. Sie ist die einzige Figur des Buchs, die einigermaßen ausgeleuchtet wird, die eine interessante Vergangenheit und Persönlichkeitsentwicklung aufzuzeigen hat. Ihr Werdegang macht auf das Schicksal unzähliger Kindersoldaten in aller Welt aufmerksam und Harris zeigt plastisch ihre Fluchtgründe und ihr Verfolgungsschicksal und macht - das ist sicher Absicht - auf die Lage vieler Flüchtlinge aufmerksam, die sich derzeit in den USA sehr restriktiven Maßnahmen und fragwürdigen Gesetzen ausgesetzt sehen. Das ist ein Aspekt, mit dem der Autor definitiv punkten kann. Damit hat es sich dann aber. Anspruchsvolle erzählerische Passagen, komplexe Zusammenhänge finden sich hier nicht.

Der eindimensionale deutschstämmige Sadist Hans-Peter Schneider ist kein zweiter Hannibal Lecter. Nicht einmal ansatzweise. Es fehlt der komplette intellektuelle Unterbau, die emotionale Intensität, die Wucht der Persönlichkeit. Schneider ist das klischeehafte Abziehbild eines grausamen Serienmörders, wie es bereits in unzähligen Büchern und schlechten Filmen durchgenudelt wurde. Wozu das hier? Der gesamte Serienmörderquatsch ist in diesem Buch, bei dem es überhaupt nicht um einen Serienmörder geht, völlig fehl am Platze und trägt zur Story nichts bei als anlasslose Gewalt. Überhaupt spielt sich vieles in diesem Buch rein oberflächlich ab, reduziert auf Äußerlichkeiten, was bereits das Erscheinungsbild von Schneider zeigt oder die tierischen Attribute, mit denen Harris seine Akteure belegt. Aber auch das ändert nichts daran, dass die Nebenfiguren recht blass bleiben und sich eher an ihrem Äußeren als an ihrem Charakter festmachen lassen.

Immerhin, das Buch ist schnell gelesen, hat es doch nur ca. 270 Seiten, die in kleine Kapitel szenisch untergliedert sind. (Weitere 60 Seiten sind tatsächlich eine Leseprobe von „Das Schweigen der Lämmer“ - muss man mehr sagen?) Insgesamt wirkt das für mich eher wie ein Fragment, ein Entwurf für einen Roman, der viel zu früh veröffentlicht wurde. Schnell erzählt, ja, aber zulasten der erforderlichen Tiefe, kaum spannend, nicht fesselnd und am Ende bleibt nichts hängen. Kein Vergleich mit den früheren Werken dieses tollen Autors, der uns mit psychologischem Tiefgang, Einfallsreichtum und vor allem erstklassiger Recherche auf spannende, emotionale Achterbahnfahrten geschickt hat. Sehr schade.

geschrieben am 15.07.2019 | 799 Wörter | 4817 Zeichen

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